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Oktober 2019
Verwaltungsgebäude des gKU VE München Ost in Poing

Außer Kontrolle

Rund fünf Jahre ließ sich die Staatsanwaltschaft München II Zeit mit ihren Ermittlungen, die ein ehemaliger Mitarbeiter mit seiner Strafanzeige gegen den damaligen Vorstand des "gemeinsamen Kommunalunternehmens VE München-Ost" (gKU VEMO) und dessen Frau, die ehemalige Personalleiterin, ausgelöst hatte. Das gKU VEMO mit Standorten in Poing und Neufinsing gehört 13 Gemeinden aus den Landkreisen Ebersberg, München und Erding und entsorgt deren Abwässer bzw. versorgt sie mit Trinkwasser.

Der Bayerische Kommunale Prüfungsverband (BKPV), der vom Verwaltungsrat des gKU VEMO unter Vorsitz des Zornedinger Bürgermeisters Piet Mayr zur Untersuchung der Vorwürfe beauftragt worden war, listete in seinem Abschlussbericht vom März 2015 zahlreiche Rechtsverstöße der Beschuldigten auf, darunter die unzulässige Überlassung einer Werkswohnung an Familienangehörige, unzulässige Dienstwagennutzung zu privaten Zwecken und unzulässige Auszahlung von teilweise verfallenem Urlaub. In dieser Zeitschrift war im Juli 2016 bereits über den Fall berichtet worden.

Fünf Jahre lang hüllte sich die Staatsanwaltschaft zu ihren Ermittlungen weitgehend in Schweigen. Dabei wäre es trotz des Interesses der Öffentlichkeit und der Printmedien wohl auch geblieben, wenn nicht beide Beschuldigte Einspruch gegen die Strafbefehle des Amtsgerichts Ebersberg erhoben hätten, die die Staatsanwaltschaft dort bereits im Frühjahr beantragt hatte. So kam es aber am 10. September im Sitzungssaal 2 des Amtsgericht Ebersberg zur öffentlichen Hauptverhandlung.

Zum Erstaunen der Zuschauer legte die Staatsanwaltschaft den Angeklagten aber nicht alle vom BKPV als Untreue gewerteten Handlungen zur Last. Vielmehr wurde dem ehemaligen Vorstand nur die unberechtigte Auszahlung seiner nicht genommenen Urlaube (insgesamt ca. 19.000 EUR) vorgeworfen. Auch sollen sich beide widerrechtlich Kenntnis vom Inhalt von Emails der Betriebsratsvorsitzenden verschafft haben. Auch dieser Vorwurf war von Anfang an erhoben worden. Es drängt sich daher die Frage auf, was die Staatsanwaltschaft in diesen fünf langen Jahren getan hat. Hoffte sie, dass Gras über die Sache wächst?

Nach Verlesung der Anklagepunkte zogen sich Einzelrichterin Hörauf, der Staatsanwalt und die Angeklagten nebst Anwälten zu einem über halbstündigen Rechtsgespräch zurück. Solche Rechtsgespräche unter Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit sind grundsätzlich zulässig, werden aber kritisch gesehen, da sie immer im Verdacht von "Deals" zwischen den Beteiligten stehen und auch dem Grundsatz der Öffentlichkeit eines Strafprozesses widersprechen.

Da sich die Staatsanwaltschaft aber (noch?) nicht auf die vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens unter Auflagen einlassen wollte, entschied das Gericht, den Beteiligten nochmals Gelegenheit für Stellungnahmen zu geben und vertagte die Verhandlung auf den 17. Dezember 2019.

Ob es dann die erhoffte volle Aufklärung über die damaligen Geschehnisse und die Vorwürfe gegen den ehemaligen Vorstand und seine Frau geben wird, darf aber bezweifelt werden. Denn eine volle Aufklärung ist gar nicht Gegenstand und Ziel eines deutschen Strafprozesses.

So bleibt wohl unaufgeklärt, ob die Bürgermeister im Verwaltungsrat des gKU VEMO alles ihnen Zumutbare getan haben, um die Straftaten zu verhindern und Vermögensschäden zu Lasten der Ab/Wasserkunden abzuwenden. Auch bleibt unbeantwortet, ob die Gemeinderäte der 13 Gemeinden ihren Kontroll- und Aufsichtspflichten über ihr Eigentum gKU VEMO ausreichend nachgekommen sind. Offenkundig ist aber bereits jetzt, dass die Kontrollmechanismen durch externe Bilanzprüfer ungenügend sind, um solche "Unregelmäßigkeiten" frühzeitig – oder überhaupt - zu erkennen.

Die Bayerische Staatsregierung meint zwar in der Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Florian Streibl (LT-Drs. 17/13876), "...bei dem aufgedeckten Fehlverhalten handelt es sich um individuelle Pflichtverletzungen in einem Einzelfall, bei dem die vorhandenen Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten sich als ausreichend erwiesen haben. Die Verfehlungen der entsprechenden Mitarbeiter sind aufgedeckt und durch die fristlose Kündigung dieser Mitarbeiter beendet worden" und lehnt den Vorschlag ab, Kommunalunternehmen wie das gKU VEMO künftig durch den BKPV prüfen zu lassen, so wie dies bei den meisten Gemeinden schon jetzt der Fall ist.

Jedoch übersieht die Staatsregierung, dass die "Verfehlungen" nicht durch die "vorhandenen Kontroll- und Einwirkungsmöglichkeiten" aufgedeckt wurden, sondern durch einen Mitarbeiter, der - weil er sich vom Verwaltungsrat und dem Landratsamt Ebersberg nicht ernst genommen fühlte - bei der Staatsanwaltschaft München Anzeige erstattet hatte. Der "Dank" des gKU VEMO: seine Entlassung.

Damit muss auch künftig jeder Mitarbeiter rechnen, der im Interesse des Allgemeinwohls interne Missstände aufdecken will, denn auch im Geschäftsgeheimnisgesetz vom April 2019 wurde der Schutz von Hinweisgebern vor Repressalien und Kündigung nicht wirksam verbessert.

Dezember 2019
Nachtrag: Bericht über die Fortsetzung der Verhandlung und Verurteilung des ehem. Vorstands



Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift "Der Oberbayer", Heft April 2019. Artikel mit lokalem Bezug aus dieser Zeitschrift werden mit ein paar Wochen Verzögerung an dieser Stelle abgedruckt. Den Beitrag in der aktuellen Ausgabe finden Sie auf der Seite http://www.kirchseeon-intern.de/der-oberbayer.htm

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